Samstag, 13. April 2013

FILMKRITIK: TO THE WONDER VON TERRENCE MALICK

Ben Affleck und Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)

An Terrence Malick scheiden sich die Geister, so ist das eben. Sein neuestes Projekt namens To the Wonder bildet insofern keine Ausnahme. Einzig sein Erscheinungsdatum tut das, ist seit Tree of Life doch noch nicht mal im Ansatz ein Jahrzehnt vergangen wie zwischen Malicks früheren Werken. Die einen lieben und verehren den Amerikaner für die visuelle Poesie und manchmal pathetische Wucht, mit der er seine Geschichten auf die Leinwand bannt, die anderen bemängeln genau diesen Umstand. Zu kitschig sei das, pseudo-esoterischer Ästhetizismus und letztlich sinnentleert. Bei mir, soviel sei vorab gesagt, hat der gute Mann einen Stein im Brett. Und so hat es mich selbst kaum verwundert, dass To the Wonder mir außerordentlich gut gefallen hat.

Ben Affleck und Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)

Die Story ist recht schnell erzählt: Neil (Ben Affleck) und Marina (Olga Kurylenko) sind ein Paar, sie Französin, er Amerikaner. Der Dauerhaftigkeit ihrer Liebe sind sich die beiden sicher, und so ziehen sie mit Marinas Tochter Tatiana in die Kleinstadt Bartlesville, Oklahoma. Der Alltag in dem ländlichen Ort hält leider nicht, was die gemeinsamen Träume versprachen. Marina fühlt sich fremd und Neil kann ihr die Zuwendung nicht geben, die sie braucht. Auf der Suche nach Trost gerät sie an Pater Quintana (Javier Bardem), der jedoch mit eigenen Glaubenszweifeln kämpft, und von der Idee der ewigen Liebe selbst nicht überzeugt ist. Regelmäßig durchbrechen nun Streits die Stille im gemeinsamen Haus, und als ihr Visa abläuft, geht Marina zurück nach Frankreich. Neil beginnt unterdessen eine Affäre mit seiner Jugendfreundin Jane (Rachel McAdams), die ihm als bodenständiger Typ eine wesentlich unkompliziertere Form der Liebe zu bieten scheint. Die Gedanken aneinander lassen Marina und Neil aber nach wie vor nicht los. 

Ben Affleck und Rachel McAdams in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)
Mit To the Wonder wird Terrence Malick seinem Ruf, sich vom Geschichtenerzählen wegzubewegen und eher die Schiene der spirituellen Bilderfluten einzuschlagen, durchaus gerecht. Alles ist vorhanden, was auch schon in Tree of Life polarisierte: opulente Streicher im Hintergrund, viel fließendes Wasser und reichlich Zeit für imposante Bildcollagen. Da passiert es schon mal, dass die eine oder andere Aufnahme fast einen naiven Grad an Pathos erreicht. Im Gesamtpaket ergibt diese Bildsprache aber ein stimmiges Konzept.

Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)

Es gibt in To the Wonder eine Szene, in der Neil beruflich in Bartlesville unterwegs ist, um mit den Einwohnern über die beunruhigenden Auswirkungen eines nicht konkret definierten Umweltproblems zu reden. Manchmal komme schwarzer Teer aus den Fugen auf der Terrasse, berichtet ein zahnloser Mann, die Kinder und sogar die Hunde verhielten sich merkwürdig. Für mich war es diese kurze Sequenz, die die Essenz von To the Wonder bündelte und eine klarere Perspektive auf den bis dahin noch recht ziellos dahinplätschernden Film ermöglichte.

Javier Bardem in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)

Denn es ist doch so: eigentlich wollen wir alle nur Gutes. Das Beste sogar. Und genau genommen haben wir auch alle Voraussetzungen dazu. Alle Optionen stehen uns offen: wir können in Frankreich leben oder in den USA, in einer Metropole oder auf dem Land. Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch – fremde Sprachen, Menschen und Kulturen sind so leicht zu erreichen wie nie zuvor. Ob wir uns nun für die gottgemachte Krone der Schöpfung halten oder schlicht für die Säugetiere, die das Bewusstsein abbekommen haben - wir haben dieses wunderschön sanfte Licht, dass uns Terrence Malick immer wieder zeigt. Es scheint durch die Fenster herein, wirft sanfte Schatten, es glitzert auf Wasseroberflächen, bricht sich rotgolden in den Locken von Marina und im leichten Stoff ihrer Kleider. Wir haben unsere Beziehungen, Lebensmittelpunkte, vielleicht sogar Liebe gefunden. Wärme, Geborgenheit, was immer wir brauchen und wollen. Und trotzdem schaffen wir es nicht, hinzunehmen und uns hinzugeben, einfach zu sein. Zweifel, Ärger und Wut kriechen an uns herauf wie der Teer aus den Fugen, vereinnahmen uns bis wir all die Schönheit gar nicht mehr wahrnehmen.

Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)

Ist das jetzt pathetisch? Vielleicht. Andererseits ist es auch ausgesprochen einfach, sich darüber zynisch zu äußern. Terrence Malick fehlt dieser Zynismus auch in To the Wonder wieder völlig. Permanent filmt er seine Figuren mit allem gebührenden Respekt aus einer knappen Untersicht, als wolle er sie sich in all ihrer Schönheit entfalten lassen. Während die Besetzung vom eher zupackenden Männertypen Ben Affleck in dieser stillen, nachdenklichen Rolle sicher streitbar ist, kommt die Schönheit von Olga Kurylenko hingegen wirkungsvoll zur Geltung. Beinahe zärtlich umkreist die Kamera sie, zeigt sie im Weitwinkel ganz aus der Nähe, so dass ihr feines Gesicht zu einer Landschaft wird, die mit der französischen Küste und der amerikanischen Weite zu wetteifern versteht.

Szene aus To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)

Und ist das jetzt zu wenig Handlung? Selbstzweckartiger Ästhetizismus? Hierzu von mir ein entschiedenes Nein. Malicks Themen sind groß genug. Sie berühren Probleme, für die es kein klares Richtig oder Falsch geben kann. Welche Botschaft sollte da eine detailliert auserzählte Geschichte vermitteln? Welche Tendenz, welche Antwort auf sich stellende Fragen geben? Mit welchem Recht? Erst indem To the Wonder eine flüchtige Momentaufnahme zeigt, in geradezu impressionistischen Andeutungen verbleibt, wird er seinen Themen gerecht. Und wenn wirklich alle Stricke rissen, wir den Glauben und die Liebe verlören, was bliebe uns dann schließlich anderes als Schönheit?

Rachel McAdams und Ben Affleck in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal)
Nun ja, es gibt aber eben auch noch diese anderen Menschen, die von Terrence Malicks To the Wonder nicht so begeistert sind. Wer sich für Gegenargumente interessiert, kann unter filmosophie.com nachlesen.

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