Ben Affleck und Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
An Terrence
Malick scheiden sich die Geister, so ist das eben. Sein neuestes Projekt namens
To the Wonder bildet insofern keine Ausnahme. Einzig sein Erscheinungsdatum tut
das, ist seit Tree of Life doch noch nicht mal im Ansatz ein Jahrzehnt
vergangen wie zwischen Malicks früheren Werken. Die einen lieben und verehren
den Amerikaner für die visuelle Poesie und manchmal pathetische Wucht, mit der
er seine Geschichten auf die Leinwand bannt, die anderen bemängeln genau diesen
Umstand. Zu kitschig sei das, pseudo-esoterischer Ästhetizismus und letztlich
sinnentleert. Bei mir, soviel sei vorab gesagt, hat der gute Mann einen Stein
im Brett. Und so hat es mich selbst kaum verwundert, dass To the Wonder mir
außerordentlich gut gefallen hat.
Ben Affleck und Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
Die Story ist recht schnell erzählt: Neil (Ben Affleck) und
Marina (Olga Kurylenko) sind ein Paar, sie Französin, er Amerikaner. Der
Dauerhaftigkeit ihrer Liebe sind sich die beiden sicher, und so ziehen sie mit
Marinas Tochter Tatiana in die Kleinstadt Bartlesville, Oklahoma. Der Alltag in
dem ländlichen Ort hält leider nicht, was die gemeinsamen Träume versprachen.
Marina fühlt sich fremd und Neil kann ihr die Zuwendung nicht geben, die sie
braucht. Auf der Suche nach Trost gerät sie an Pater Quintana (Javier Bardem),
der jedoch mit eigenen Glaubenszweifeln kämpft, und von der Idee der ewigen
Liebe selbst nicht überzeugt ist. Regelmäßig durchbrechen nun Streits die
Stille im gemeinsamen Haus, und als ihr Visa abläuft, geht Marina zurück nach
Frankreich. Neil beginnt unterdessen eine Affäre mit seiner Jugendfreundin Jane
(Rachel McAdams), die ihm als bodenständiger Typ eine wesentlich unkompliziertere
Form der Liebe zu bieten scheint. Die Gedanken aneinander lassen Marina und
Neil aber nach wie vor nicht los.
Ben Affleck und Rachel McAdams in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
Mit To
the Wonder wird Terrence Malick seinem Ruf, sich vom Geschichtenerzählen
wegzubewegen und eher die Schiene der spirituellen Bilderfluten einzuschlagen,
durchaus gerecht. Alles ist vorhanden, was auch schon in Tree of Life
polarisierte: opulente Streicher im Hintergrund, viel fließendes Wasser und reichlich
Zeit für imposante Bildcollagen. Da passiert es schon mal, dass die eine oder
andere Aufnahme fast einen naiven Grad an Pathos erreicht. Im Gesamtpaket
ergibt diese Bildsprache aber ein stimmiges Konzept.
Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
Es gibt in To the Wonder eine Szene, in der Neil beruflich
in Bartlesville unterwegs ist, um mit den Einwohnern über die beunruhigenden
Auswirkungen eines nicht konkret definierten Umweltproblems zu reden. Manchmal
komme schwarzer Teer aus den Fugen auf der Terrasse, berichtet ein zahnloser
Mann, die Kinder und sogar die Hunde verhielten sich merkwürdig. Für mich war
es diese kurze Sequenz, die die Essenz von To the Wonder bündelte und eine
klarere Perspektive auf den bis dahin noch recht ziellos dahinplätschernden
Film ermöglichte.
Javier Bardem in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
Denn es ist doch so: eigentlich wollen wir alle nur Gutes.
Das Beste sogar. Und genau genommen haben wir auch alle Voraussetzungen dazu.
Alle Optionen stehen uns offen: wir können in Frankreich leben oder in den USA,
in einer Metropole oder auf dem Land. Englisch, Französisch, Spanisch,
Italienisch, Russisch – fremde Sprachen, Menschen und Kulturen sind so leicht
zu erreichen wie nie zuvor. Ob wir uns nun für die gottgemachte Krone der
Schöpfung halten oder schlicht für die Säugetiere, die das Bewusstsein
abbekommen haben - wir haben dieses wunderschön sanfte Licht, dass uns Terrence
Malick immer wieder zeigt. Es scheint durch die Fenster herein, wirft sanfte
Schatten, es glitzert auf Wasseroberflächen, bricht sich rotgolden in den
Locken von Marina und im leichten Stoff ihrer Kleider. Wir haben unsere
Beziehungen, Lebensmittelpunkte, vielleicht sogar Liebe gefunden. Wärme,
Geborgenheit, was immer wir brauchen und wollen. Und trotzdem schaffen wir es
nicht, hinzunehmen und uns hinzugeben, einfach zu sein. Zweifel, Ärger und Wut
kriechen an uns herauf wie der Teer aus den Fugen, vereinnahmen uns bis wir all
die Schönheit gar nicht mehr wahrnehmen.
Olga Kurylenko in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
Ist das jetzt pathetisch? Vielleicht. Andererseits ist es
auch ausgesprochen einfach, sich darüber zynisch zu äußern. Terrence Malick
fehlt dieser Zynismus auch in To the Wonder wieder völlig. Permanent filmt er
seine Figuren mit allem gebührenden Respekt aus einer knappen Untersicht, als
wolle er sie sich in all ihrer Schönheit entfalten lassen. Während die
Besetzung vom eher zupackenden Männertypen Ben Affleck in dieser stillen,
nachdenklichen Rolle sicher streitbar ist, kommt die Schönheit von Olga
Kurylenko hingegen wirkungsvoll zur Geltung. Beinahe zärtlich umkreist die
Kamera sie, zeigt sie im Weitwinkel ganz aus der Nähe, so dass ihr feines
Gesicht zu einer Landschaft wird, die mit der französischen Küste und der
amerikanischen Weite zu wetteifern versteht.
Szene aus To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
Und ist das jetzt zu wenig Handlung? Selbstzweckartiger
Ästhetizismus? Hierzu von mir ein entschiedenes Nein. Malicks Themen sind groß
genug. Sie berühren Probleme, für die es kein klares Richtig oder Falsch geben
kann. Welche Botschaft sollte da eine detailliert auserzählte Geschichte
vermitteln? Welche Tendenz, welche Antwort auf sich stellende Fragen geben? Mit
welchem Recht? Erst indem To the Wonder eine flüchtige Momentaufnahme zeigt, in
geradezu impressionistischen Andeutungen verbleibt, wird er seinen Themen
gerecht. Und wenn wirklich alle Stricke rissen, wir den Glauben und die Liebe
verlören, was bliebe uns dann schließlich anderes als Schönheit?
Rachel McAdams und Ben Affleck in To the Wonder (Malick, USA 2013, Studiocanal) |
Nun ja, es gibt aber eben auch noch diese anderen Menschen, die von Terrence Malicks To the Wonder nicht so begeistert sind. Wer sich für Gegenargumente interessiert, kann unter filmosophie.com nachlesen.
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